Untermain aktuell 1/2005


Das Glück, das die Kanincheneule gibt

Von Wulf Röhnert


Eulen - die haben was, wie man so sagt. Manche Begegnung mit den nächtlichen Jägern vergißt auch der altgediente Vogelgucker nicht so schnell: Mir fährt noch heute der Schreck in die Knochen, wenn ich mich an das gewaltige "uuhuu" erinnere, mit dem mich vor 15 Jahren ein Uhu erschütterte, auf den ich nicht gefasst war.

Gegen Ende der Abenddämmerung saß ich damals allein in einer Felsschlucht in der israelischen Wüste Negev und wartete darauf, daß die Steinböcke nach Abzug der Touristen an die Tränke kommen. Und dann urplötzlich: "uuhuu"! Ja, ja, ich hatte schon Uhus gesehen und gehört, aber es dauerte doch einen unvergeßlich langen Moment, bis ich begriffen hatte, was, wer und wie ... "Nicht sehr laut" nennt Bezzel den Ruf des Uhus, aber der Herr Experte hockte auch nicht zwischen engen, widerhallenden Felswänden und dachte an ganz was anderes. Gesehen habe ich den Heuler irgendwo über mir übrigens nicht. Höchst nachhaltig beeindruckt hat er mich auch so. Drum erzähle ich jetzt noch ein wenig von "meinen" Eulen, die ich zum Teil nur schlecht oder aber, wie den Negev-Uhu, überhaupt nicht zeigen kann.

Wovon es keine Fotos gibt

Steinkäuze habe ich in den Achtzigern oft beobachtet, am Berger Hang Richtung Bischofsheim. Als erstes aber fällt mir immer einer der Burschen von damals ein: Auf einem Zaunpfahl - es war Frühjahr - saß eine Käuzin, die sich nach vorne beugte, die Flügel leicht abspreizte, und so eine Landebahn anbot; es dauerte eine ganze Weile, bis der Herr Kauz schließlich vom Baum herabkam und sich auf die Dame unter seinen Füßen stellte. Ja, stellte! Hocherhobenen Hauptes schaute er sich in der Gegend um, nach rechts, nach links, und überhaupt. Er drehte sich sogar einmal. Der Vogel interessierte sich ausgiebig für alles, nur nicht für das Weibchen unter ihm. Die wackelte zwar mal, aber er verfügt ja über einen guten Gleichgewichtssinn. "Zur Sache" jedenfalls kam er lange nicht, so um die drei Minuten mögen es gewesen sein, bis er es auf einmal ganz eilig hatte. Sie übrigens auch, denn anschließend schmiss sie ihn mit einem Ruck runter.

Stimmt ja - davon habe ich auch keine Foto. Aber davon: Im Januar 1991 besuchten wir zum ersten Male die Wüste Namib. Alles neu für mich, überwältigende Eindrücke, beispielsweise mitten in der Wüste, im trockenen Tal des Kuiseb, ein richtiggehender Hochwald! Und da gab es Ärger - zwei Schildraben "hassten" auf einen kaum größeren Fleckenuhu. (Sorry, die deutschen Namen übertreiben etwas "Schildkrähe" und "Fleckenkauz" wären den Vogelgrößen angemessener.) Die Szene war spannend, sowas hat nicht unbedingt jeder schon gesehen, und ich habe zwei, drei Dias. Allerdings: Fotografiert habe ich damals mit einer Kamera an meinem alten Kowa-Spektiv (Winkeleinblick) auf einem Stativ - stellt Euch die Verrenkungen vor, die nötig werden, wenn da plötzlich etwas über einem geschieht, und noch dazu in unwüstenmäßiger Dunkelheit. Und genau so sind die Bilder auch. Besser werden Porträts, wenn die beiden hinter und vor der Linse gleichermaßen neugierig sind: Ein Mini namens Perlkauz in einer Akazie in Namibia wollte mal genau wissen, wie der Riese Mensch da unter ihm aussieht, und ich umgekehrt auch. Das Bild ist dann auch danach genau so wie die Weißgesichtseule in der Kalahari, die Karin und Peter HilI fotografierten: die saß sogar noch da, als ich kam.

Na, wer hat den Kauz?

Leider gibt's auch das: Verkehrsopfer lassen sich problemlos ablichten; das befriedigt selbst dann nicht, wenn die Schleiereule in einer so exotischen Gegend wie Baja California am Straßenrand liegt. Themenwechsel: Wer hat bitteschön ein gutes Foto von der einst meistporträtierten Eule Floridas? Viele Jahre saß ein Streifenkauz auf einem Ast über einem Besuchersteg in den Evergladesümpfen. Im Fernsehen habe ich ihn oft gesehen, auch bei Dia-Vorträgen. Na, wer hat ihn - Sieberts, Schebestas? Mein Bild gibt's leider wieder nicht - Weib, Kind und Fotograf rannten vor dem Ansturm der Mücken feige davon.

Und dann gibt es ja auch noch die Sorte Bilder, die vielleicht niemanden sonst, aber auf jeden Fall den Kameraträger glücklich und zufrieden machen: Zweimal in Florida, mindestens zehnmal bei drei Besuchen in Kalifornien und Arizona und dito in Mexiko habe ich die relativ häufige Kanincheneule gesehen und beobachtet, aber nie fotografiert. Entweder war die Steinkauzverwandte zu weit weg, oder sie verschwand rechtzeitig unter Tage in ihrem Bau. Aber jetzt, am Samstag, 22. 1. 2005, um 9 Uhr, blieb bei meinem dritten Besuch in Chile auf dem Stumpf eines gefällten Baums "meine" Kanincheneule sitzen. Ich hab'se!

Mitgliederbrief "Untermain aktuell", Nr. 1/05, Februar 2005. Verantwortlich für diese Ausgabe: Wulf Röhnert