Untermain aktuell 1/1994


Nicht Mangel an Störchen, sondern Mangel an Biotopen!


1984 hatte der DBV, der sich heute NABU schreibt, den Storch zum Vogel des Jahres proklamiert. Zehn Jahre danach ist Ciconia ciconia wieder dran; er hat es, wie Dr. Rudolf Rossbach von der Staatlichen Vogelschutzwarte in seinem Vortrag bei "untermain" deutlich machen konnte, auch bitter nötig. Die Bestandsentwicklung (siehe die Grafiken) läßt zu wünschen übrig; der Kinderbringer unserer Vorfahren kann sich selbst wohl nicht mehr helfen. Die folgenden Zitate aus einer Arbeit Rossbachs zeigen, was nicht stimmt (es fehlen die Biotope), und belegen, daß die einst mit großen Hoffnungen gestarteten Auswilderungsprogramme leider nichts gebracht haben.

"Seit Ende der siebziger Jahre schwankt der Weißstorchbestand in Hessen auf einem Minimum von l bis 3 Horstpaaren. Unter den Schutzmaßnahmen muß der Erhaltung und Verbesserung der Lebensräume Priorität zugemessen werden. Als zusätzlicher Anreiz hat sich die Neuerrichtung von Kunsthorsten im Zentrum großräumiger Nahrungsareale erwiesen."

173 Störche ausgewildert
Heute "werden die Probleme der Auswilderung wesentlich kritischer gesehen als noch zu Beginn unseres jetzt rund zehnjährigen Versuchsprogramms. Dabei erfolgte die Auswilderung als Bestandstützungsmaßnahme nur im Bereich von noch besetzten Storchbiotopen. Als Standorte für die beiden Ausgewöhnungsvolieren waren daher die mit den Nachbarhorsten in Berka und Gerstungen (Thüringen) bzw. Loshausen (Schwalm) in Sichtweite befindlichen Feuchtwiesen ausgewählt worden."

"Unter Berücksichtigung der Aufgabe, die Art in Hessen als Brutvogel zu erhalten, wurde versucht, die fast flüggen Gehege-Jungstörche durch eine 3-4wöchige Haltung in diesen Freilandvolieren an den dortigen Lebensraum zu binden, der uns durch die freilebenden Wildstörche als noch "storchenfähig" angezeigt wurde. Da es stets gelang, die Gehegestörche mit den flügge gewordenen Jungen der Wildstörche zu vergesellschaften, konnte durch die gemeinsamen Nahrungsflüge diese Prägung auf den "Heimatbiotop" in den nächsten 2-3 Wochen nach der Freilassung jeweils noch weiter vertieft werden."

Alle zogen mit nach Süden
"Bei einer jährlichen Auswilderungsrate von minimal 10 Exemplaren (seit 1984) und maximal 22 Ex. waren bis August 1992 insgesamt 173 Ex. freigelassen worden, die auch ausnahmslos von den abziehenden Wildstörchen ins Winterquartier mitgeführt wurden. ..."

Einer hat Junge: Im Voqelpark!
"Aus den Wiederfundmeldungen (Süd-Frankreich, Ost-Spanien, Mauretanien, Niger) kann geschlossen werden, daß fast stets die Südwestroute eingeschlagen wurde. Von den rund 40 Rückmeldungen bezogen sich 29 auf Totfunde, von den 11 Lebend-Ablesungen nur 3 auf verpaarte Brutvogel; nur einer davon zog ausfliegende Jungvögel auf und zwar im Vogelpark (!) Bensheim. Von einer erfolgreichen Methode kann somit nicht gesprochen werden, wie indessen von Anfang an anzunehmen war, daß die Misere nicht im Mangel an Störchen, sondern im Mangel an Biotopen begründet liegt."

Es muß wohl nicht näher erläutert werden, warum diese Zahlen nicht in die Tabelle oben eingearbeitet wurden: Bei den Störchen spielt Hessen in Deutschland trotz des dramatischen Rückgangs insgesamt keine Rolle mehr. Dr. Rossbach, der diese Zahlen mitgeteilt hat, verwies außerdem darauf, daß das eine Paar von 1988 nicht gebrütet hat; und er bestätigte, was hessische "Ornis" schon lange vermuteten: Hierzulande ist inzwischen der scheue und versteckt im Wald lebende Schwarzstorch häufiger als der einst allen vertraute Adebar. Die meisten deutschen Weißstörche gibt es noch in Nord- und Ostdeutschland: In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg brüteten im Jahr 1990 1075 bzw. 960 Paare, danach folgten Sachsen-Anhalt (390 Brutpaare), Sachsen (306), Niedersachsen (273) und Schleswig-Holstein (220). Auf die ändern Bundesländer paßt schon fast der Kommentar: Der Rest ist Schweigen.

Wulf Röhnert