Untermain aktuell 1/2004


Die Türkentauben am Berger Hang
von Dr. Ludwig Emmel, Bergen-Enkheim

Aus: "Jahresbericht der Vogelkundlichen Beobachtungsstation Untermain", Nr. 24, 1950/51, S. 22-23


Nach einer Türkentaube dreht sich der eifrige Vogelgucker wohl eher selten um - das war aber mal ganz anders: Etwa 1930 begann die bis dahin nur aus dem Balkanraum bekannte Streptopelia decaocto eine quasi explosionsartige Ausbreitung durch ganz Europa bis hin nach Island (1964)! Die ,neue' Art wurde dabei aufmerksam beobachtet und ,begleitet' von "Hunderten von Vogelkundigen in allen Ländern" (E. Bezzel). Natürlich auch bei und von uns: Sebastian Pfeifer hat den Stand der Ausbreitung im Jahresbericht 24 (1950/51) ausführlich beschrieben und dies durch weitere Texte ergänzt. Über die ersten Türkentauben am Berger Hang berichtete damals Dr. Ludwig Emmel in einem, wie wir meinen, auch heute noch mit Gewinn zu lesenden Text.

Die erste Beobachtung der Türkentaube datiert vom 11. Juni 1950. Ich hörte gegen fünf Uhr morgens den Ruflaut, den ich, da er mir fremd war, zunächst nicht unterbringen konnte, bis ich dann am Abend des nächsten Tages, auf der Spitze des Dachftrstes meines Hauses ein Taubenpaar im Schein der sinkenden Sonne sitzen sah, damit beschäftigt, das Gefieder zu ordnen.

... duduuh dut, duduuh, duduuh ...

Mit Hilfe des Zeissglases waren die Tiere einwandfrei zu bestimmen. Der Täuber, in Größe und Farbe vom Weibchen nicht unterschieden, fing bald an, dienernd zu balzen und sein typisches "Du duuh dut, duduuh dut, duduuh dut, duduuh, duduuh" häufig wiederholend zu rufen, dabei dem Weibchen mit aufgeblähtem Kropf zugewandt und es gelegentlich mit etwas gespreizten Stoßfedern überspringend und vor ihm auf dem Dachftrst auf und ab trippelnd. Plötzlich stieg der Tauber steil in die Höhe, um nach einigen abwärts gleitenden Spiralen wieder beim Weibchen einzutreffen. Eine Kopulation wurde nicht beobachtet.

Nie mehr als zwei beieinander

Täglich kamen nun die Tauben morgens und abends zum gleichen Platz, wo ich sie entweder hörte oder auch oft zu sehen bekam. Als Lieblingsruheplätze wurden weiter die herausragenden trockenen Zweige der Baumkronen von Obstbäumen 30 - 200 m südlich des Ortsteiles am Hang angeflogen, wo die Täuber entweder allein oder mit ihren Weibchen in den Morgen- und Nachrnittagsstunden saßen. Nie wurden mehr als zwei Tauben beieinander gesehen.

Gehört wurde die Türkentaube auch in einer mit Ahorn, Rüstern und Kastanien bestandenen Straße am Südrand von Bergen und im Hof der alten Schule, der ebenfalls mit hohen Bäumen bestanden ist und an der Hauptverkehrsstraße liegt. Fast regelmäßig wurde sie in einer am Hang liegenden Hühnervoliere mit den Hühnern fressend beobachtet, sei es allein oder zu zweien.

Hier war es auch, wo ich zusammen mit Herrn KRAMPITZ am 2. 7. 1950 eine Taube sah, die sehr stark einer Turteltaube ähnelte. Diese Taube habe ich dann wiederholt auf dem im Bild festgehaltenen Sitzplatz beobachtet, wo sie Herr WISSENBACH bei einem gemeinsamen morgendlichen Ansitz zusammen mit einer "typischen" Türkentaube aufnehmen konnte. Der Täuber, allem Anschein nach ein Mischling zwischen Türkentaube und Turteltaube, saß mit geblähtem Kropf oberhalb des Weibchens. Schultern, Flügeldecken und Rücken des Mischlings sind im Gegensatz zu der Türkentaube rotbraun und dunkel gefleckt, aber nicht so intensiv wie bei der Turteltaube. Die Handschwingen sind von grauschwarzer Farbe, der seitliche Halsfleck braunschwarz und einmal weiß unterteilt. Im Gegensatz zur Turteltaube fehlt der graublaue Spiegel in den Flügeln. Der Schwanz, kürzer als der der Türkentaube, zeigt sich oberseits schwarzgrau mit beiderseitig weißen Randfedern, die beim Flug sichtbar werden. Die Farbe der übrigen Körperteile ist aschgrau überflogen, isabellfarbig ähnlich der Türkentaube, vielleicht an Kopf und Brust schwach rötlich-gelblich. Über die Farbe der Füße und des Schnabels kann ich keine Angaben machen. Größenmäßig war dieser Täuber etwa zwischen Turteltaube und Türkentaube einzustufen. Herr Dr. BODENSTEIN beschreibt in Ornitholog. Mitteilungen 1949 einen ähnlichen Mischling und bestätigt mir mündlich das übereinstimmende Aussehen des von mir beobachteten Tieres mit dem, das er bei Ingelheim feststellte.

Ende August wurden die Tauben mit ihren Lautäußerungen immer spärlicher. Ich bekam sie immer seltener zu Gesicht, bis sie Anfang September gänzlich verschwunden waren. Ob sie im nächsten Jahre sich wieder einstellen werden und ob es möglich ist, dann einen Brutnachweis zu führen, bleibt abzuwarten.